Klaus Geitners Gedanken zu seinem Programm „Kaleidoskop“
„Kaleidoskop“ ‒ zu übersetzen etwa mit „schöne Formen sehen“ ‒ lässt sich durchaus wörtlich verstehen als das brillante Changieren aller Spektralfarben. Dies ist auch gut auf die Musik übertragbar. So beschreibt ein Kaleidoskop einen bunten Wechsel verschiedener Bilder und Eindrücke.
Diesen Gedanken nimmt das Programm des Konzertes am 20. November 2021 auf. In insgesamt 16 ganz unterschiedlichen Werken durch die Geschichte der Orgelmusik erklingen vielfältige, vielleicht auch ungewöhnliche und überraschende Klangkombinationen an der Kaps-Orgel von Mariä Himmelfahrt.
Gerade in den Variationswerken ist ein Wechsel von Metrum und Klangfarbe gegeben. Die Passacaglia (John Ebenezer West / Wolfgang Lindner) ist ursprünglich ein Tanz und eine Variationsform des Barock im Dreiertakt, sie steht oft in einer Molltonart und hat tendenziell einen weichen oder melancholischen Charakter. Typisch ist eine meist vier- oder achttaktige durchgängige Basslinie, die wiederholt werden kann und als Basis für eine Folge von Variationen dient. Diese Musikform breitete sich im 17. und 18. Jahrhundert über Italien und Frankreich in ganz Europa aus. Die Grenzen zur eng verwandten Ciacona (Valentin Eckelt) sind fließend.
Der in Berlin lebende Komponist Lothar Graap hat als Auftragswerk die Komposition „Kaleidoskop“ geschaffen. Es handelt sich dabei um Klangflächen und Bausteine, die sich aus einzelnen Tönen, dem Zusammenklang in verschiedenen Lautstärken und dem Wechsel von Höhen und Tiefen entwickelt. In diesem nur fünfminütigen Werk werden 36 unterschiedliche Registrierungen benötigt. Die Uraufführung erfolgte am 23. Oktober 2015 in der Sendlinger Himmelfahrtskirche bei der 8. Sendlinger Orgelnacht.
Die Werke von Marco Enrico Bossi, Wolfram Rehfeldt, Carson Cooman, Andreas Willscher und James Hotchkiss Rogers sind musikalische Raritäten in welchen die Klangvielfalt einer Orgel in schnellen Wechseln wahrnehmbar wird.
So möge die Reise durch dieses bunte und abwechslungsreiche Programm eine Fülle von kurzweiligen und klangvollen Eindrücken und Momenten erleben lassen.
Programmfolge des Orgelkonzerts „Kaleidoskop“ am 20. November 2021
Marco Enrico Bossi 1861-1925 |
Entrada (Ricostruzione di Riccardo Castagnetti) |
Marco Enrico Bossi (s.o.) |
Piccolo Corale |
James Hotchkiss Rogers 1857-1940 |
Miniature Suite Prelude - Intermezzo - Pastorale - Toccatina |
Andreas Willscher *1955 |
Vier kleine Stücke: • Gebet zur Heiligen Dreifaltigkeit (Benedicta sit sancta Trinitas, atque indivisa Unitas) • Flöten-Solo • Irische Meditation • Prière Phrygien |
Johann Valentin Eckelt 1673-1732 |
Ciacona C-Dur |
Wolfram Rehfeldt *1945 |
Canzona in d aus „Kaleidoskop“ |
Carson Cooman *1982 |
Kleine Sternmelodie op. 1404 |
Wolfgang Lindner *1956 |
Passacaille h-Moll (2017) |
Lothar Graap *1933 |
Kaleidoskop (2015) (Klangflächen) |
John Ebenezer West 1863-1929 |
Passacaglia h-Moll (In memoriam Josef Gabriel Rheinberger) |
Kirchenmusikdirektor Klaus Geitner wurde in München geboren. Nach Studien am Münchner Richard-Strauss-Konservatorium setzte er seine Ausbildung in Augsburg und Salzburg (Mozarteum) fort ‒ dort in der Orgelklasse von Prof. Stefan Klinda. Ergänzende Studien führten ihn zu Nikolaus Harnoncourt, Michael Radulescu, Ton Koopman, Olivier Latry, Marie-Claire Alain, Jean Langlais, Daniel Roth, Frieder Bernius und Guy Bovet.
Seit 1983 wirkt Klaus Geitner an der Evangelisch-Lutherischen Himmelfahrtskirche München-Sendling. 2007 wurde er zum Dekanatskantor für München-Süd berufen, zwei Jahre darauf folgte die Ernennung zum Kirchenmusikdirektor. Neben seinen Aufgaben als Organist und Kantor leitet Geitner den Chor der Himmelfahrtskirche. 1990 gründete er das Ensemble „Il concerto piccolo“, das sich auf die Aufführungspraxis des 17. und 18. Jahrhunderts spezialisiert hat. Er initiierte maßgeblich den Neubau der 1994 eingeweihten Orgel durch die Firma Hermann Eule.
Rundfunk- und CD-Aufnahmen sowie Konzerte im In- und Ausland ergänzen seine künstlerische Tätigkeit. Klaus Geitner ist darüber hinaus zertifizierter Orgelsachverständiger (VOD) und wurde 2015 vom Landeskirchenrat zum amtlichen Orgelsachverständigen der Evang.-Luth. Landeskirche in Bayern ernannt.